*1966
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Real Life. Geography (2001) Real Life. Geography Künstlerin / Künstler: Ross Sinclair Datierung: 2001 Typ: Arbeit auf Papier Material: Siebdruck auf Papier Masse: 171,4 x 110 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 2002 Inventarnummer: 0814 Copyrighthinweis: © Ross Sinclair; Fotos: André-Marc Räubig -
Decline and Fall, No. 7 [Niedergang und Fall, Nr. 7] (1998) Decline and Fall, No. 7 [Niedergang und Fall, Nr. 7] Künstlerin / Künstler: Ross Sinclair Datierung: 1998 Typ: Fotografie Material: C-Print auf Papier Masse: 52,1 x 64,3 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 2002 Inventarnummer: 0812 Copyrighthinweis: © Ross Sinclair; Fotos: André-Marc Räubig -
Glasgow II, No. 5 (2001) Glasgow II, No. 5 Künstlerin / Künstler: Ross Sinclair Datierung: 2001 Typ: Fotografie Material: C-Print auf Papier Masse: 75 x 92,7 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 2002 Inventarnummer: 0813 Copyrighthinweis: © Ross Sinclair; Fotos: André-Marc Räubig
1994 liess sich der schottische Künstler Ross Sinclair in schwarzen Versalien die Worte «REAL LIFE» auf den Rücken tätowieren. Dies markierte den Beginn eines bis zum heutigen Tag andauernden Kunstprojekts, das zum Markenzeichen von Sinclairs künstlerischer Praxis werden sollte.
Es entstanden zunächst Fotoserien – das «REAL LIFE»-Motiv durchzog in der Folge sämtliche Medien, von Fotografie über Film bis hin zu Installation und Performance –, in denen sich Sinclair stets mit nacktem Rücken dem Betrachter präsentiert. Über die Jahre veränderten sich Posen, Haarschnitt und Umgebung, doch der Schriftzug, die kurze Hose im für Tartans typischen Schottenkaro und der sein Gesicht abwendende Künstler blieben gleich. An die berühmten Rückenfiguren von Caspar David Friedrich erinnernd, fungiert Sinclair für den Betrachter als Identifikationsfigur.
Doch was versteht Sinclair unter dem Begriff des «realen Lebens»? – Sinclair hinterfragt das Verhältnis zwischen Individuum und gesellschaftlichem Kollektiv. Er beschäftigt sich mit individueller, kollektiver und nationaler Identität. Was macht uns zu dem, wer wir sind? Und sind wir in Zeiten der digitalen Bilderflut überhaupt noch fähig, das reale vom fiktiven Leben zu unterscheiden? Es geht Sinclair nicht darum, medial vermittelte Ereignisse zu verurteilen und reale Begebenheiten in den Mittelpunkt zu rücken, sondern die Beziehung beider Welten zu erforschen und zu verstehen. Dies sind Fragestellungen, die im Laufe der Jahrzehnte an Aktualität gewonnen haben. So zeigt die Arbeit «Decline and Fall» den an Land gespülten Körper des Künstlers, über dessen Zustand der uneingeweihte Betrachter im Ungewissen bleibt: Ist dieser Mensch bewusstlos oder tot? – Vielleicht darf der im Wasser treibende Sinclair als eine Art nationales Porträt mit ungewissem Ausgang verstanden werden, denn der Titel spielt auf den Erstlingsroman des englischen Schriftstellers Evelyn Waugh an: eine ironische Betrachtung der britischen Gesellschaft der 1920er-Jahre. Ausgang ungewiss.
Neben Selbstporträts kreierte Sinclair auch eine Reihe von Textarbeiten mit dem Begriff des «Realen Lebens». Die zehn Punkte in «Real Life. Geography» erinnern an die Gebotstafel, die anlässlich der Expo 2000 in Leipzig auf die fensterlose Seitenwand des Riquet-Hauses aufgetragen wurde. Während der Betrachter dort mit der Überschrift «DU SOLLST / NICHT» noch vor die Wahl gestellt wird, bezieht die Arbeit in der Kunstsammlung der Baloise eindeutig Stellung: «1. Verbrenne deinen Pass», «2. Ignoriere Kontinente», «3. Staatenlosigkeit annehmen», «4. Staatsbürgerschaft ablehnen», «5. Ländergrenzen sprengen», «6. Nationen abschaffen», «7. Geografie vernichten», «8. Städte auflösen», «9. Republiken aufgeben», «10. Abspalten». Die Frage, ob Grenzen und nationale Identitäten überhaupt noch sinnvoll sind, stellt sich hier nicht mehr.
Marianne Dobner