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Künstler von A-Z Inez van Lamsweerde

*1963

  • Kirsten Star (1996)
    Kirsten Star
    Künstlerin / Künstler: Inez van Lamsweerde Datierung: 1996 Typ: Fotografie Material: C-Print auf Papier Masse: 104 x 80 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 1997 Inventarnummer: 0665 Copyrighthinweis: © Inez & Vinoodh. Courtesy Gagosian
  • The Forest. Klaus (1995)
    The Forest. Klaus
    Künstlerin / Künstler: Inez van Lamsweerde Datierung: 1995 Typ: Fotografie Material: Chromogener Abzug auf Dibond auf Plexiglas Masse: 135 x 180 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 1996 Inventarnummer: 0663 Copyrighthinweis: © Inez & Vinoodh. Courtesy Gagosian
  • The Forest. Marcel (1995)
    The Forest. Marcel
    Künstlerin / Künstler: Inez van Lamsweerde Datierung: 1995 Typ: Fotografie Material: Chromogener Abzug auf Dibond auf Plexiglas Masse: 135 x 180 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 1996 Inventarnummer: 0664 Copyrighthinweis: © Inez & Vinoodh. Courtesy Gagosian
Inez van Lamsweerde arbeitet seit den 1980er-Jahren mit experimentellen Bildgebungsverfahren, die zwischen bildender Kunst und Mode angesiedelt sind, und ist bekannt dafür, dass sie die herkömmlichen Grenzen der fotografischen Darstellung menschlicher Körper sprengt. In den frühen 1990er-Jahren zeichnete sich ab, dass die digitalen Bildverarbeitungstechniken (namentlich Photoshop) neue Möglichkeiten zur Kontrolle und Manipulation von Fotografien eröffneten. Sowohl in der Mode wie in der bildenden Kunst interessierte man sich für den Umstand, dass der fotografische Realismus bei Betrachterinnen und Betrachtern Erwartungen weckt, die erschüttert oder infrage gestellt werden können. Der Künstler Jeff Wall hatte so komplex komponierte digitale Werke wie «A Sudden Gust of Wind (after Hokusai)» (1991) und «Dead Troops Talk» (1993) geschaffen. Und van Lamsweerde hatte ihre von der niederländischen Stadt Grooningen in Auftrag gegebene Fotoserie «Vital Statistics» (1991) dort bereits in der gleichnamigen Ausstellung im Center for Architecture and City Planning gezeigt – Bilder von Frauen vor übertrieben bunten Stadtlandschaften. Die weiblichen Modelle und die Stadthintergründe waren jeweils separat fotografiert und erst später digital zusammengesetzt worden.

Damals beschränkte sich die digitale Bildbearbeitung in der Modefotografie noch weitgehend auf herkömmliche Retuschen: das Glätten von Unvollkommenheiten, das Unterstreichen und Schärfen charakteristischer Züge und das Entfernen von Schmutzpartikeln. Doch war bereits klar, dass die digitale Technik bald wesentlich tieferreichende Konsequenzen für das Verständnis der Fotografie haben sollte und folglich auch für das Verständnis ihrer Themen und Gegenstände.

Ein Teil der realistischen Wirkung der Fotografie liegt in ihrem Potenzial, sich selbst als Ersatz für die Begegnung mit der Sache oder Person anzubieten, die sich vor der Kamera befunden haben. Diese Art Realismus geht mit bestimmten Konventionen einher – man denke etwa an das Studioporträt vor neutralem Hintergrund bei gleichförmiger Beleuchtung. Diese Bildsprache ist einfach und ehrlich. Denselben Aufbau hat van Lamsweerde bei «The Forest» verwendet, einer Folge von vier Bildern, auf denen jeweils eine liegende Figur zu sehen ist. Die Begrenzung des Bildausschnitts auf Gesicht, Arme und Oberkörper ist bei allen gleich, und alle vier Figuren tragen dasselbe gelbe kurzärmelige Poloshirt, ein für Männer wie Frauen gleichermassen übliches Kleidungsstück. Die Fotografien bringen jedoch die medienüblichen Codes für «Männlichkeit» und «Weiblichkeit» subtil durcheinander. Schon bald stellt man sich die Frage, ob van Lamsweerde hier Subjekte ohne eindeutige geschlechtliche Identität fotografiert hat, oder ob die Leute bewusst so getrimmt wurden, dass sie die üblichen Geschlechternormen durchbrechen, oder ob es sich schlicht um digitale Kompositionen handelt, die aus Merkmalen und Körperteilen verschiedener Leute zusammengesetzt sind. Der Akzent liegt in jedem Bild etwas anders, aber alle rufen ein Gefühl faszinierender Ungewissheit oder Unbehagen hervor.

Mittlerweile sind solche Bilder nicht mehr so ungewöhnlich, weder in der Kunst und Mode noch im Alltag. Die gesellschaftlichen Normen und sozialen Geschlechtszugehörigkeiten sind heute offener und fliessender. Zum Teil ist dieses Fliessende dem Internet zu verdanken, das es uns ermöglicht, Bilder, in denen wir uns selbst darstellen, rasch im Netz hochzuladen und mit anderen zu teilen. Die Mainstream-Bildervertriebsstellen haben die Darstellungsnormen nicht mehr so fest im Griff. Im Rückblick ist an diesen Bildern von Inez van Lamsweerde nach 25 Jahren bemerkenswert, dass sie in dem schmalen Zeitfenster zwischen dem Aufkommen der digitalen Nachbearbeitung und dem Aufkommen des Internets entstanden sind.

David Campany