-
Clipped Branches, E. Cordova St., Vancouver (1999) -
Children (1988) -
Adrian Walker, artist, drawing from a specimen in a laboratory in the Department of Anatomy at the University of British Columbia, Vancouver (1992) -
Children (1988) -
Children (1988) -
Children (1988) -
Children (1988) -
Children (1988) -
Children (1988) -
Children (1988)
Dan Graham und Jeff Wall gehören mehr oder weniger zur selben Generation, obschon Graham etwas älter ist und seine künstlerische Karriere bereits in jüngeren Jahren begann. Nachdem sich beide in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre für die Konzeptkunst begeistert hatten, verlagerten sich Grahams Interessen später auf Performance, Architektur und Musik, während Wall sich dem Studium der Kunstgeschichte zuwandte und bald auch der Neuinszenierung von Fotografien vor dem Hintergrund der Tradition des abendländischen Tafelbildes. Beide Künstler verbindet ein tiefes Interesse am gesellschaftlichen Stellenwert von Kunst und den Bedingungen der Kunstbetrachtung für das Publikum. Beide haben auch bedeutende Essays verfasst, nicht zuletzt zum Werk des jeweils anderen. 1980
veröffentlichte Graham «The Destroyed Room of Jeff Wall»(1), und Wall publizierte 1981 «A Draft for ‹Dan Graham’s Kammerspiel›»(2), ein Text, den er später erweiterte. 1989 gestalteten beide Künstler gemeinsam einen Entwurf zu einem Kinderpavillon, «The Children’s Pavilion».
Das Projekt besteht aus einer Reihe von Bauplänen, dreidimensionalen Modellen und neun kreisförmigen Fotoporträts von Kindern. Es war die dritte Porträtserie, die Wall schuf, nach «Young Workers» (1978, Remake 1983) und «Movie Audience» (1979). Alle drei sind von unten zu den Sujets aufblickend aufgenommen, ein bewusst «glorifizierender» und «erhöhender» Blickwinkel, der an die sowjetischen Porträts der 1920er- und 1930er-Jahre erinnert.
Mit seinem runden Innenraum und Kuppeldach sollte der Pavillon auf einem Hügel in den Boden eingelassen werden. In diesem kleinen Amphitheater sollten die Porträts von hinten beleuchtet in Leuchtkästen präsentiert und hoch oben im Rund der gekrümmten Wände platziert werden. Der Blickwinkel hinauf zu den Porträts entspräche deren fotografischem Aufnahmewinkel.
Im Scheitelpunkt des Kuppeldachs war ein halbkugelförmiges, mit einem Zweiwegspiegel versehenes Glasfenster geplant. Wer sich im Innern aufhielte und hinaufschaute, würde ein anamorphes Spiegelbild des Innenraums einschliesslich seiner selbst erblicken. Wer die Stufen ausserhalb der Kuppel hinaufstiege, könnte durch das Rundfenster hinunterschauen und zugleich sein eigenes Spiegelbild vor einem kuppelförmigen Himmel sehen. Dieser Anblick entspräche wiederum dem Himmelshintergrund der neun Porträts.
Obwohl Architektur ihre Nutzung nie programmieren kann, war der Entwurf dieses Pavillons vom Interesse an einer Art von räumlichem Theater des Sehens und Spielens geprägt, das jeder der beiden Künstler bereits in seiner eigenen Arbeit untersucht hatte. «The Children’s Pavilion» könnte eine gesteigerte, äusserst reflexive Raum- und Schau-Spiel-Erfahrung bieten, indem er die Unterscheidung zwischen Theater und Publikum, Betrachtenden und Betrachteten verwischte.
Dreissig Jahre später ist es unwahrscheinlich, dass «The Children’s Pavilion» je realisiert werden wird. In der Zwischenzeit hat Graham weiterhin diverse andere Stahl- und Glaspavillons in aller Welt gebaut. Wall ist innerhalb der Museen und Ausstellungsräume geblieben und hat den öffentlichen Raum und das Sozialverhalten auf der bildlichen Ebene im Rahmen seiner Fotografien untersucht (auch wenn er eine öffentliche Plastik geschaffen hat, «Lost Luggage Depot», 2001, die am Kai in Rotterdam steht).
Es gibt jedoch keinen Grund, warum ein Entwurf nicht ein in sich geschlossenes Kunstwerk sein könnte. Tatsächlich hat Dan Graham mehrere «proposals as artworks» (Entwürfe als Kunstwerke) geschaffen (insbesondere «Alteration to a Suburban House», 1978). Überdies hat Jeff Wall die Erfahrung gemacht, dass seine Kinderporträts im klassischen Ausstellungskontext perfekt funktionieren, und wenn sie gemeinsam in der richtigen Konstellation ausgestellt werden, lassen sie sogar den Gedanken an einen Pavillon wach werden.
David Campany
(1) Dan Graham, «The Destroyed Room of Jeff Wall», in: Real Life Magazine, März 1980, S. 4–6.
(2) Jeff Wall, «A Draft for ‹Dan Graham’s Kammerspiel› », in: Jeff Wall, Selected Essays and Interviews, New York und London 2007, S. 11–29.