Als ihre eigenständige Malerei ab den mittleren 1990er-Jahren Beachtung fand, gehörte Joanne Greenbaum schon nicht mehr zur jungen Künstlerinnengeneration. Die Malerei der grossformatigen Bilder jener ersten Phase, die bis gegen 2004/05 anzusetzen ist – was vorher war, soll unbekannt bleiben –, ist, obwohl in Öl auf Leinwand gemalt, sehr zeichnerisch angelegt und den zwei früheren, hier abgebildeten Aquarellen von 2001 und 2003 durchaus verwandt. Ab 2005 wurden die Gemälde entschieden malerischer, auch wenn in ihnen ein darunter oder auch darüber liegendes gezeichnetes Gerüst aufgehoben ist, das oft sichtbar belassen wird. Diese Entwicklung in Greenbaums Malerei, die sich, vereinfacht ausgedrückt, vom eher Zeichnerischen hin zum explizit Malerischeren vollzogen hat, lässt sich auch in der umfangreichen Gruppe der etwa dreissig Aquarelle feststellen, die sich in der Kunstsammlung der Baloise befinden, und sie zeigt sich auch im Vergleich der beiden früheren Aquarelle mit jenen von 2008.
Drei der ersten Ausstellungen, an denen Greenbaum in New York teilnahm, hatten für ihre Position als Malerin sehr aufschlussreiche Titel, sie hiessen «New York, Abstract Painting» (1994) und «Exploiting the Abstract», aber auch «Painting Now and Forever» (beide 1997). Joanne Greenbaum bewegte sich selbstverständlich in der abstrakten Malerei, sie musste den Prozess der Abstraktion nicht gehen. Diese war schon erobert und da, und ihre Möglichkeiten boten sich der Künstlerin mit ihrem ganzen Dispositiv an: Man kann den Titel «Exploiting the Abstract» so interpretieren. Immer aber hat die Malerin, die in den malereiskeptischen Zeiten von Minimal und Conceptual Art geprägt worden ist, an die Daseinsberechtigung von Malerei geglaubt, heute und auch in Zukunft. Die Malerei ist und bleibt für sie ein Abenteuer. In einem Gespräch 2008 sagte sie: «Wenn ich ein neues Bild anfange, habe ich keine Ahnung, was ich machen werde oder in welche Richtung ich gehen will. Ich arbeite gerne im Bereich des Unbekannten, es fasziniert mich und widerlegt die gängige Meinung, in der Malerei hätte es alles schon gegeben.»(1)
Joanne Greenbaum zeichnet ständig, um, wie sie sagt, mit sich «im Einklang zu bleiben»(2): Es entstehen unzählige schnelle, quasi gedankenlose «Telefon»- oder «Scribble»-Zeichnungen mit Kugelschreiber. Aber, nochmals in ihren Worten: «Das Malen ist eine völlig andere Kraft […].»(3) Sind jene Zeichnungen eine Sache für sich, so zeigt sich dererseits zwischen den Aquarellen und den grossformatigen Ölmalereien eine enge Verwandtschaft: Hier wie dort treffen Kräfte, die zu konzeptueller Ordnung, zu Plan, zu Struktur oder Muster tendieren, auf Energien, die eher Unordnung und Chaos stiften möchten. Rudimentär Architektonisches kann anklingen, Formen werden auf Formen gebaut oder organisch miteinander verbunden, Kleinteiliges wuchert mehr oder weniger strukturiert über die Bildfläche, oft verleiten über die Fläche verteilte Zahlen die Augen dazu, den Prozess des Werdens einer Gestalt zu verfolgen. Seit 2003 entstehen auch Keramikskulpturen: Es kann gut sein, dass die seitherige Entwicklung in der Malerei mit der Erfahrung des plastischen Arbeitens zu tun hat.
Beat Wismer
(1) Joanne Greenbaum im Gespräch mit Bob Nickas, «Often the Mistakes Become My Best Works», in: Joanne Greenbaum. Painting, hrsg. von Dorothea Strauss und Susanne Titz, Ausst.-Kat. Haus Konstruktiv, Zürich; Städtisches Museum Abteiberg,
Mönchengladbach, Ostfildern 2008, S. 9–13, hier S. 10.
(2) Ebd., S. 11.
(3) Ebd., S. 12.
Weitere Werke von Joanne Greenbaum in der Kunstsammlung der Baloise:
Inv.-Nr. 1106–1115, je: Ohne Titel, 2001, Aquarell und Gouache auf Papier, 35,6 x 36,8 cm
Inv.-Nr. 1116, Ohne Titel, 2003, Aquarell auf Papier, 76 x 56,2 cm
Inv.-Nr. 1118, Ohne Titel, 2007, Mischtechnik auf Papier, 66 x 50,8 cm
Inv.-Nr. 1128, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 41,5 x 29,8 cm
Inv.-Nr. 1130, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 42 x 30,3 cm
Inv.-Nr. 1131, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 42 x 30 cm
Inv.-Nr. 1132, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 41,8 x 30,5 cm
Inv.-Nr. 1133, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 41,2 x 29,9 cm
Inv.-Nr. 1134, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 42 x 30,3 cm
Inv.-Nr. 1135, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 42 x 30,2 cm
Inv.-Nr. 1136, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 42 x 30,3 cm
Inv.-Nr. 1137, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 42,5 x 30,4 cm
Inv.-Nr. 1138, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 41,7 x 30,1 cm
Inv.-Nr. 1139, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 41,8 x 30,3 cm
Inv.-Nr. 1140, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 41,8 x 29,8 cm
Inv.-Nr. 1141, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 42,1 x 30 cm
Inv.-Nr. 1142, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 41,7 x 30,3 cm
Inv.-Nr. 1143, Ohne Titel, 2008, Aquarell auf Papier, 41,6 x 30,3 cm
Inv.-Nr. 1249, Ohne Titel, 2008, Mischtechnik auf Papier, 75 x 56 cm
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