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Künstler von A-Z Sol LeWitt

1928–2007

  • Incomplete Open Cube (1974)
    Incomplete Open Cube
    Künstlerin / Künstler: Sol LeWitt Datierung: 1974 Typ: Arbeit auf Papier Material: Tinte auf Papier Masse: 25 x 25 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 1997 Inventarnummer: 0672.2 Copyrighthinweis: © The LeWitt Estate / ProLitteris, Zürich; Fotos: Christian Baur, Basel (Inv.-Nr. 0541–0542, 0672), André-Marc Räubig (Inv.-Nr. 0521)
  • Drawing for Four Pages (1974)
    Drawing for Four Pages
    Künstlerin / Künstler: Sol LeWitt Datierung: 1974 Typ: Arbeit auf Papier Material: Bleistift und Tusche auf Halbkarton Masse: 65 x 50 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 1987 Inventarnummer: 0521 Copyrighthinweis: © The LeWitt Estate / ProLitteris, Zürich; Fotos: Christian Baur, Basel (Inv.-Nr. 0541–0542, 0672), André-Marc Räubig (Inv.-Nr. 0521)
Nachdem Sol LeWitt während einiger Jahre in seinen Zeichnungen Kombinationen von Linien in verschiedenen Farben und Richtungen, von Geraden und Kreisbogen mit wechselnden Mittelpunkten durchgespielt hatte, suchte er nach Möglichkeiten, diesen systematischen Ordnungen solche gegenüberzustellen, die im Widerspruch dazu chaotisch erscheinen mochten. Wählt man eine zufällige Gegebenheit als Ausgangspunkt für die Parameter einer Konstruktion und führt diese konsequent weiter, so ergeben sich daraus unvermutete Möglichkeiten. 1973 begann LeWitt mit Arbeiten, in denen er die Position von Punkten und Linien in der Fläche zum Thema machte, indem er diese sprachlich beschrieb und die Beschreibung als Bestandteil der Zeichnung in die Fläche setzte. Wie so oft in seinem Werk brachte die Idee überraschende visuelle Ergebnisse hervor. LeWitt dehnte dieses neue Konzept sogleich auf seine verschiedenen Arbeitsfelder aus und veröffentlichte mehrere Künstlerbücher, in denen er dessen Anwendung auf die Verortung von Punkten, Linien und geometrischen Figuren demonstrierte. LeWitt faszinierte das Paradox, dass eine detaillierte und konsequent formulierte Beschreibung einer Konstruktion, deren Akribie er immer weiter steigerte, im Absurden enden muss, wie er dies an literarischen Texten beobachtet hatte: «Ich war sehr mit Schriftstellern wie Samuel Beckett befasst, die ebenfalls an der Vorstellung von Absurdität als Ausweg aus der Intellektualität interessiert waren. Selbst eine einfache Idee kann Chaos erzeugen, wenn man sie bis an ihr logisches Ziel verfolgt.»(1) Hinsichtlich der «Location Drawings» fuhr LeWitt fort: «Je mehr Information man bietet, desto verrückter wird es, und es kann so weit gehen, dass man für die Konstruktion einer einfachen Form oder einer Figur wie der eines Kreises auf drei Seiten Text kommt. In gewisser Weise war dies eine Ausweitung der Idee, dass Weitschweifigkeit Einfachheit und Einheit hervorbringt.»(2)

In der vorliegenden, wohl für eine bisher nicht identifizierte Publikation ausgeführten Zeichnung geht es um die Konstruktion verschiedener Linientypen und ihrer Beziehungen zueinander – Linien, die vom Ende beziehungsweise vom Zentrum anderer Linien ausgehen, Linien, die von bestimmten Punkten ausgehen und zu anderen Punkten führen, und schliesslich die Positionierung von je einer geraden, einer nichtgeraden und einer gebrochenen Linie. Den Text setzt LeWitt entlang der konstruierten Linien, sodass er als ebenbürtiges visuelles Element ihren Verlauf in der Fläche unterstreicht. Wie ausführlich auch immer die jeweilige Position beschrieben wird, sie vermag die Setzung der Linien nicht wirklich zu begründen – diese bleibt arbiträr. Dass Begründung und Ergebnis in umgekehrter Proportion zueinander stehen, kann man auch als subtile Polemik gegen die von der europäischen Moderne propagierte funktionalistische Ästhetik des «less is more» und ihr Versprechen einer Versöhnung von Ideal und Realität betrachten.

Dieter Schwarz

(1) «I was very involved in writers like Samuel Beckett who were also interested in the idea of absurdity as a way out of intellectuality. Even a simple idea taken to a logical end can become chaos.» «Sol LeWitt Interviewed by Andrew Wilson. To Avoid a Rational Step, Intuition Is Important» (1993), in: Patricia Bickers und Andrew Wilson (Hrsg.), Talking Art. Interviews with Artists since 1976, London 2007, S. 414–421, hier S. 416.

(2) «The more information that you give, the crazier it gets, until to construct a very simple form or figure such as a circle you could have three pages of text. In a way it was an extension of the idea that prolixity created simplicity and unity.» Ebd., S. 417.

Weitere Werke von Sol LeWitt in der Kunstsammlung der Baloise:

Inv.-Nr. 0541, Ohne Titel, 1988, Gouache auf Papier, 56,8 x 75,5 cm

Inv.-Nr. 0542, Ohne Titel, 1988, Gouache auf Papier, 56,7 x 75,3 cm

Inv.-Nr. 0672.1, Incomplete Open Cube, 9/4, 1974, Tinte auf Papier, 25 x 25 cm

Inv.-Nr. 0672.3, Incomplete Open Cube, 9/12, 1974, Tinte auf Papier, 25 x 25 cm

Inv.-Nr. 0672.4, Incomplete Open Cube, 8/7, 1974, Tinte auf Papier, 25 x 25 cm

Inv.-Nr. 0672.5, Incomplete Open Cube, 10/4, 1974, Tinte auf Papier, 25 x 25 cm