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Künstler von A-Z Ernst Morgenthaler

1887–1962

  • Notre-Dame de Paris im Mondschein (1932)
    Notre-Dame de Paris im Mondschein
    Künstlerin / Künstler: Ernst Morgenthaler Datierung: 1932 Typ: Gemälde Material: Öl auf Leinwand Masse: 68 x 88 cm Zugangsdatum/Ankaufsdatum: 1962 Inventarnummer: 0285
Ernst Morgenthaler war von den 1920er bis in die 1960er Jahre einer der wichtigsten figurativen Maler in der Schweiz. Man sah die Bedeutung seiner Malerei in der Betonung des subjektiv Erlebnishaften und in ihrer differenzierten Farbigkeit. Ferner stellte man Morgenthalers romantische Tendenz in Gegensatz zum Pathos und der Monumentalität bei Ferdinand Hodler und dessen Nachfolge. Er fiel als Maler auf, der den eigenen Lebensbereich und die heimatliche Landschaft poetisch deutete, aber auch hintergründig und visionär zur Darstellung brachte. Landschaften zu jeder Jahreszeit, Porträts, Familienszenen, Nachtbilder, Stillleben – dies sind seine immer wieder variierten Themen; er konzentrierte sich auf schlichte Motive aus dem eigenen Lebensbereich und konnte im Grunde nur malen, was er selber gesehen und erlebt hatte oder wovon er ergriffen war. «Kunst kommt nicht von Können», korrigierte er den gängigen Ausdruck, «sie ist von Anfang an da und heisst Ergriffenheit».

Ein wichtiger Schritt für seine Entwicklung war die Entscheidung, 1928 mit der Familie nach Paris zu ziehen, wo er sich intensiv dem Malen und der Vertiefung seiner Kenntnisse widmete. Mit sorgfältig gewählten Farbtönen suchte er noch bewusster nach suggestiven Wirkungen. In der Organisation der Objekte im Raum werden der persönliche Eindruck des Malers von der Harmonie der Farben und Formen, seine Stimmung und Empfindung mitgeteilt. Das malerische Element tritt nun stärker hervor als das zeichnerische, Figürliches wird teilweise nur noch angedeutet, einzelne Bildpartien werden nahezu abstrakt (Das Gartentor in Meudon, 1929).

In den Landschaften der 1930er und 1940er Jahre erreicht er einen differenzierten Umgang mit der Farbe, der auf den Einfluss Cuno Amiets und die Auseinandersetzung mit der französischen Malkultur zurückgeht (Rauhreif, 1939). Die Leichtigkeit und Sicherheit in der Gestaltung verführten ihn zu einer routiniert glatten Malweise, die er aber souverän mit virtuoser Handschrift variierte. Seine Selbstzweifel führten immer wieder zu Werken von tiefer Aussage und Fragilität. In dem nach etwa 1954 einsetzenden Spätwerk ist eine Veränderung auszumachen, die Motiv und Gestaltung gleichermassen betrifft: Einzelheiten treten zurück, die Modellierung verschwindet oft ganz, die Darstellung löst sich formal und farblich von der Natur; bei freier malerischer Struktur wird ein fester formaler Bildaufbau angestrebt (In Maloja, 1955). Von den Bildern der letzten Jahre fallen die einfach und gross gesehenen Meerlandschaften aus Sardinien auf. Sie sind von zarter, teilweise intensiver Farbigkeit und auf die notwendigsten Flächen und Linien reduziert; es sind stille, auf das Wesentliche konzentrierte Bilder von poetischer Stimmung.

Steffan Biffiger: «Ernst Morgenthaler». In: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, 2015 (erstmals publiziert 1998).